10/03/2015

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Tarifabschluss überfordert viele Unternehmen

Forderung nach neuen zeitgemäßen Verfahren bei der Tariffindung

Trotz massiver Kritik hat der tarifpolitische Beirat des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Rhein-Wupper e.V. dem M+E-Tarifergebnis zugestimmt, nicht zuletzt auch deshalb, um einen Arbeitskampf und damit weitere irreparable wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.

„Bei einer derzeitigen Inflationsrate um die Null-Linie kam die Lohnzahl nicht nur überraschend, sondern wirkte zugleich für unsere Mitgliedsbetriebe wie ein „Schlag ins Gesicht“. Neben international schon lange nicht mehr wettbewerbsfähigen Energiekosten haben wir mit der Tariferhöhung um 3,4 % zulasten unseres Klientels auch bei den Personalkosten noch einmal deutlich an Terrain im internationalen Vergleich verloren und dies alles in Zeiten von Überkapazitäten in fast allen Bereichen und einem gnadenlosen Preis- und Margendruck“, so das Resümee des Verbandsvorsitzenden, Arndt Krebs. „Das war kein Abschluss für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland. Die Lohnzahl ist für alle unserer Betriebe ein noch nicht gedeckter Wechsel in die Zukunft, da nach wie vor die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unklar sind. Wir wissen, dass einige unserer Mitgliedsunternehmen mit dem Abschluss deutlich überfordert sind, sodass wir durch Nachverhandlungen hausinterne Lösungen werden finden müssen“, so der Verbandsvorsitzende weiter. „Bei den Themen Altersteilzeit und Weiterbildung seien dagegen für beide Seiten vertretbare Lösungen gefunden worden. So steht bei dem Altersteilzeittarifvertrag zukünftig die Beschäftigungsfähigkeit bis zur Rente im Mittelpunkt und nicht die Frühverrentung und bei der Bildung wird richtigerweise den Betriebsparteien der Vortritt gelassen für eine kreative Personalentwicklung“, so Krebs abschließend.

Die Kritik im Einzelnen, beispielhaft:

„Wir akzeptieren die Notwendigkeit von Gehaltsanpassungen. Doch diese Lohnzahl ist zu hoch, wenn man sich die niedrige Inflationsrate vor Augen hält. Sie schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben einen hohen Lohnkostenanteil und müssen uns nun überlegen, wie wir zusätzliche Produktivitätssteigerungen erzielen, um diesen Kostenanstieg zu kompensieren. Eine Chance, diese Kostensteigerung an Kunden weiter zu geben, haben wir nicht“, so Michael Hedderich, Senior Vice President Global Rings & Liners and Valve Seats & Guides der Federal-Mogul Powertrain.

Friedrich Krämer, Personalleiter bei der Geberit Mapress GmbH, sieht Arbeitsplätze gefährdet und stellt derzeit alle übertariflichen Leistungen auf den Prüfstand.

„Dieser Abschluss passt so gar nicht in unsere derzeitige Konsolidierungsbemühungen; hinzu kommt, dass wir aufgrund von Überkapazitäten am Markt einem ungeheuren Preis- und Margendruck unterliegen und deshalb an eine Weitergabe der Lohnzahl auch nicht ansatzweise zu denken ist“, so die Stellungnahme von Thomas Schule, Personalleiter bei der ThyssenKrupp Stahl-Service-Center GmbH.

Martin Bergmann, Geschäftsführer der Wilhelm Bertrams GmbH & Co. KG, macht deutlich, dass geplante Investitionen am Standort noch einmal ernsthaft in Frage gestellt werden müssen.

Stefan Hahn, Geschäftsfüher der SKF Sealing Solutions GmbH, sieht nach dem Tarifabschluss wachsende Schwierigkeiten bei der Akquise von Neugeschäften am Markt auf sich zukommen und stellt klar, dass der Outsourcing-Druck auf nicht zum Kerngeschäft gehörende Prozesse am Standort Leverkusen deutlich steigen wird.

„Besonders groß war die Empörung der Unternehmen über die von Anfang an geplanten und durchgeführten Warnstreikaktionen der IG Metall“, berichtet der Geschäftsführer des Verbandes, Rechtsanwalt Andreas Tressin.“Dies war alles andere als eine Verhandlung auf Augenhöhe, weil für die Unternehmen eben nicht nur Lohnprozente, sondern darüber hinaus auch Lieferfristen, Auftragserfüllung und Geschäftsbeziehungen auf dem Spiel stehen und sie deshalb jederzeit erpressbar sind. Dass mit dem Abschluss letztlich ein schon angedrohter Vollstreik und damit weitere irreparable Kollateralschäden vermieden werden konnten, ist alles andere als ein Beweis für ein funktionierendes Tariffindungssystem und muss gegenüber all denjenigen ein untauglicher Erklärungsversuch bleiben, die die Lohnzahl nicht verkraften können und damit Gefahr laufen, im Wettbewerb durch den Rost zu fallen“, so Tressin weiter. „Da die Beliebigkeit sowohl des Einsatzes, als auch des Umfanges von Streikmaßnahmen bedauerlicherweise zur vertrauten Übung geworden ist, muss zu einer innovativen und zukunftsorientierten Tarifpolitik auch der Mut gehören, über einen neuen Ordnungsrahmen beim Lohnfindungssystem nachzudenken. Konkret: Es müssen bei der rasant fortschreitenden Vernetzung und Internationalisierung aller Abläufe und Produktionsweisen in der Wirtschaft auch zeitgemäße Verfahren entwickelt werden, die den Arbeitskampf nach Möglichkeit vermeiden, damit dem verfassungsrechtlichen Gebot des Ultima-Ratio-Prinzips beim Einsatz von Streiks endlich wieder Rechnung getragen wird. Jeder Hinausschieben vergrößert die Gefahr, dass wir uns immer weiter von der Umsetzung der eigentlichen Funktion des Flächentarifvertrages, nämlich für einen Wirtschaftszweig Mindestarbeitsbedingungen zu regeln, entfernen werden. Jedenfalls hat die diesjährige Tarifrunde einmal mehr bewiesen, dass es keine Gewähr dafür gibt, dass sich Gewerkschaften stets für die Rettung der ökonomischen Vernunft aufopfern werden.