Zeitplan
Jahresrück– und Ausblick der Unternehmerverbände Rhein-Wupper
Wachstum, Beschäftigung und Investitionen 2011 / Unternehmen können 2012 nur „auf Sicht fahren“
Zum Jahresende blickt der Geschäftsführer der Unternehmerverbände Rhein-Wupper, Andreas Tressin, auf das Jahr 2011 zurück und gibt einen Ausblick auf das kommende Jahr 2012.
Gute Konjunktur 2011: Wachstum, Beschäftigung und Investitionen
Ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent, ein Steueraufkommen in nie dagewesener Rekordhöhe, gleichzeitig steigende Real-Einkommen, ein weiterhin starker Export und eine zufriedenstellende Inlandsnachfrage: der Konjunkturmotor ist auch 2011 nicht ins Stocken geraten. Die meisten Mitgliedsunternehmen sind zum Jahresende gut aufgestellt, sie verzeichneten 2011 eine konstant hohe Auslastung und eine verbesserte Eigenkapitalausstattung. Auch zum Jahresende sind die Auftragsbücher noch gut gefüllt. Es wurden Zukunftsinvestitionen vorgenommen und Beschäftigung aufgebaut: im Schnitt haben die Mitgliedsunternehmen heute fast vier Prozent mehr Mitarbeiter als vor einem Jahr. Und auch die in der Öffentlichkeit so verpönten Leihunternehmer haben sich 2011 vor allem bei den gering qualifizierten Arbeitnehmern einmal mehr als Jobmotoren entpuppt. Folglich ist die Zahl der Arbeitslosen in der Region auf einem erfreulichen Tiefstand.
Diese Entwicklung aber war kein Automatismus, sondern Konsequenz richtiger unternehmerischer Entscheidungen, vielfach gemeinsam getragen mit den Belegschaften. Auch die Tarifpolitik mit einer variablen Lohnpolitik, näherer Differenzierung zwischen den Branchen und betrieblichen Abweichungsmöglichkeiten innerhalb eines Branchentarifvertrages hat dazu beigetragen. Die Öffnungsklauseln waren einmal mehr im Verbandsgebiet Plattform für zum Teil zukunftsweisende bzw. innovative Vereinbarungen.
Von der wirtschaftlichen Dynamik profitierten mithin alle, der Staat durch erhebliche Mehreinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, und die Arbeitnehmer in der Region durch sichere Jobs und durch sehr ordentliche Einkommenszuwächse. So wurden z.B. die Mitarbeiter in der Metall- und Elektroindustrie mit einem Lohnplus von 2,7 Prozent am Aufholprozess an das Vorkrisenniveau beteiligt. Die Arbeitnehmer partizipierten zudem durch übertarifliche bzw. zusätzliche Prämienzahlungen an der zum Teil gestiegenen Ertragslage der Unternehmen.
Kaum politische Impulse und neue „Bürokratie-Monster“
Bescheiden stellt sich bei der vorgenommenen Rückschau hingegen der Beitrag der Politik dar. Wer sich die Bilanz in der Halbzeit ansieht, der wird feststellen, dass sich die Politik weder im Bund noch im Land konsequent genug von marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzipien hat leiten lassen, vielmehr häufig sogar gegen sie verstoßen hat. So fehlt es der Steuer-, Energie- und Arbeitsmarktpolitik an Verlässlichkeit und Berechenbarkeit, darüber hinaus werden die Unternehmen mit Mindestlöhnen, Sozialbilanzen und munter fortschreitender Bürokratisierung wie z.B. dem Geldwäschegesetz und anderen Hemmnissen konfrontiert. Themenfelder wie die Problematik zur Tarifeinheit oder die grundlegende Vereinfachung des deutschen Arbeitsrechts mit mehr Beweglichkeit und Flexibilität im Arbeitsverhältnis wurden auch in diesem Jahr erst gar nicht angegangen. Und schon zeichnet sich für 2012 in NRW mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz ein neues wirtschaftsfeindliches Bürokratie-Monstrum ab. Das Gesetz wird nicht nur den Kommunen teuer zu stehen kommen, sondern es wird vor allem auch zu einer systematischen Benachteiligung des Mittelstandes führen, weil gerade für kleine und mittlere Unternehmen die geplanten Prüf- und Nachweisauflagen schlichtweg nicht erfüllbar sind. Es ist zu befürchten, dass wegen der Kompliziertheit und Haftungsrisiken ein großer Teil der Wirtschaft sich zukünftig erst gar nicht mehr um öffentliche Aufträge bemühen wird.
Betriebe und Arbeitsplätze krisen- und zukunftssicherer zu machen ist das Gebot der Stunde
Im kommenden Jahr besteht zur Euphorie kein Anlass, denn die Realität ist viel differenzierter. Viele unserer Strukturprobleme sind nach wie vor ungelöst und werden zurzeit nur überdeckt durch die gute wirtschaftliche Lage. Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die den Aufschwung schnell bremsen können: Steigende Energie- und Rohstoffpreise, vor allem aber mögliche Auswirkungen der Euro- bzw. Schuldenkrise und eine sich abschwächende Welthandelskonjunktur.
Für das neue Jahr gilt es deshalb, die Betriebe und Arbeitsplätze krisen- und zukunftssicherer zu machen. Dies erfordert ein konzertiertes Handeln auf allen Ebenen. Erforderlich sind Maßnahmen, die kurzfristig sind, aber auch langfristig helfen, das Wachstumspotenzial unserer Wirtschaft zu stärken.
Unternehmer sind die eigentlichen Krisenversicherer – Betriebe brauchen deshalb „Knautschzone“ für mehr Flexibilität bei Arbeitskosten und Arbeitszeiten
Die Ausschläge der Konjunktur werden immer schneller und heftiger, die Risiken immer weniger kalkulierbar. Wenn die Unternehmen dadurch nicht aus der Bahn geworfen werden sollen, müssen sie beweglich bleiben – bei Arbeitskosten, Arbeitszeiten und Einsatzmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter. Die Risiken der Finanzmärkte schlagen darüber hinaus fast ungebremst auf die Realwirtschaft durch. Wenn die Betriebe einigermaßen unbeschadet durch diese Wechselbäder kommen sollen, brauchen sie eine Knautschzone, welche die schlimmsten Stöße abfängt und sie möglichst unabhängig von den Finanzmärkten macht. Deshalb müssen die Eigenkapitalreserven der Unternehmen aufgefüllt werden. Solche Flexibilitätspuffer geben Sicherheit in unsicheren Zeiten.
In dieser Gemengelage muss die Politik nicht nur das Instrument Kurzarbeit reaktivieren, sondern so gestalten, dass es bei Bedarf schnell aktiviert werden kann, am besten per Anordnung des Wirtschaftsministeriums.
Die Tarifvertragsparteien dürfen sich ihrerseits keine Kapriolen beim Entgelt erlauben. Richtschnurr kann deshalb ausschließlich die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität im mittelfristigen Trend sein. Die Entgelte dürfen eben nicht wie die Konjunktur „Achterbahn fahren“, sondern haben sich an einem langfristig tragbaren Aufwärtskurs zu orientieren. Die Unternehmen wollen Mitarbeiter fair am Aufschwung beteiligen, aber keine konjunkturellen Wanderdünen in der Entgeltpolitik.
Die Unternehmen brauchen aber nicht nur mehr Flexibilität bei den Entgelten, sondern auch beim Arbeitszeitvolumen. So wird die Erhöhung des Arbeitszeitvolumens bei den Betriebsparteien als das sozial verträglichste Instrument zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Erhalt von Arbeitsplätzen angesehen. Unabhängig hiervon wird unter dem Gesichtspunkt der Demografie bzw. des Facharbeitermangels die flexible, an den betrieblichen Erfordernissen ausgerichtete Möglichkeit, die Arbeitszeitkapazitäten auszuweiten, künftig eine noch größere Rolle spielen und damit von ganz zentraler tarifpolitischer Bedeutung sein. Die Sicherung des Fachkräftenachwuchses, die Qualifizierung der Mitarbeiter verschlingen nun einmal auch erhebliche Mittel; die Stärkung der „demografischen Fitness“ gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Umgekehrt gilt es alles zu vermeiden, was der vorbezeichneten Flexibilität zuwider läuft. Konterkarierende Wirkung hätte die von Gewerkschaftsseite geforderte tarifliche Übernahmeverpflichtung der Auszubildenden – denn eine solche Regelung würde unweigerlich die „Ausbildung über Bedarf“ nachhaltig gefährden. Speziell bei den Auszubildenden wollen die Gewerkschaften Probleme lösen, die es gar nicht gibt. Das eigentliche Problem sind nämlich die rund 20 Prozent eines Jahrganges die nicht ausbildungsfähig sind. Hier gilt es anzusetzen und nach gemeinsamen konstruktiven Lösungen zu einem Einstieg zum Aufstieg zu suchen.
Mehr Netto vom Brutto
Politisch ist die Senkung der Sozialabgaben überfällig, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Kassen aufgrund der guten Beschäftigungslage prall gefüllt sind. Damit der Aufschwung bei mehr Menschen ankommt, müssen sie mehr „Netto vom Brutto“ in der Tasche haben. Das schafft mehr Beschäftigung und würde den privaten Konsum im nächsten Jahr noch einmal stärken.
Darüber hinaus gilt es von Seiten der Bundesregierung, die heimlichen Steuererhöhungen der kalten Progression endlich zu begrenzen und mittelfristig abzuschaffen. Das entlastet die Leistungsträger. Gerade für sie wäre dies ein wichtiges Zeichen für mehr „Netto vom Brutto“. Der Kabinettsbeschluss vom 07.12.2011 ist (leider) nicht mehr als ein erster Schritt in die richtige Richtung, weil danach die heimliche Steuererhöhung aus dem Zusammenspiel von Inflation, Lohnerhöhungen und progressivem Steuersystem nur teilweise und nicht vollständig ausgeglichen werden soll und darüber hinaus die Absicht der Regierung, von 2014 an die Wirkung der kalten Progression alle zwei Jahre zu überprüfen, sich auch nur als unverbindliche Zielformulierung im Entwurf wiederfindet. Hier gilt es deshalb nachzubessern.
Das Endspiel um den Euro hat begonnen
Ganz entscheidend für die Konjunkturentwicklung im nächsten Jahr wird sein, wie das Vertrauen der Finanzmärkte wieder hergestellt wird und damit negative Ausschläge für die Realwirtschaft vermieden werden; so ist die EU für unsere Wirtschaft nach wie vor eine der attraktivsten Exportziele. Von diesem Markt hängen alleine direkt und indirekt 4,4 Millionen Arbeitsplätze ab. Sicher ist, dass ein „Zufluten“ der globalen Finanzsysteme mit unbegrenzter Liquidität allein nicht ausreichen wird. Auch eine Vergemeinschaftung von Staatsschulden bewirkt nichts Gutes, denn sie nimmt den hoch verschuldeten Ländern jeden Anreiz zum Sparen; so wurde der Stabilitätspakt schon sechzig Mal gebrochen, aber passiert ist bislang nichts. Nach dem bisherigen Regelwerk stimmen Sünder über Sünder ab. Bei der Lösung des Problems gilt eine alte Binsenweisheit bzw. eine einfache ökonomische Grundregel: Man muss auf Dauer mehr einnehmen, als man ausgibt. Und man muss Schulden irgendwann bezahlen, und zwar nicht durch Aufnahme neuer Schulden. Deshalb ist und bleibt der Weg eines Konsolidierungs- und Stabilitätspakts mit vereinbarten Schuldengrenzen und einer im Zweifel auch erzwingbaren Etatdisziplin bei gleichzeitiger Einschränkung der fiskalpolitischen Souveränität von Haushaltssündern alternativlos. Sonst droht ein Teufelskreis, dem schwer zu entkommen ist: Das Misstrauen der Finanzmarktakteure verteuert nämlich die Refinanzierung der Staaten und die Finanzierung von Investitionen. Die Krise würde damit die Krise nähren und die Ratingagenturen würden die Staaten ins Bodenlose herabstufen und hiervon wäre auch Deutschland zwangsläufig betroffen.
Das Endspiel um den Euro hat mit den Beschlüssen des EU-Gipfels vom 09.12.2011 begonnen. Mit mehr Haushaltsdisziplin, Schuldenbremsen, Sanktionen und Durchgriffsrechten der EU-Kommission bei budgetpolitischen Verstößen und dem Ausbau einer völkerrechtlich bindenden fiskalpolitischen Integration, wurde der Ball zu einer europäischen Stabilitätsunion zumindest schon einmal in den Strafraum gespielt. Jetzt dürfen die Mitgliedsstaaten jedoch bei der Umsetzung der eingegangenen Selbstverpflichtungen in den jeweiligen Parlamenten keine Fouls begehen. Hierzu bedarf es eines klar formulierten Regelwerkes mit EU-rechtskonformen, verbindlichen und vollstreckbaren Grenzwerten nicht nur bei der Definition von Defiziten, sondern erst recht bei der Festlegung von Ausnahmen, sonst wird man das Endspiel um das Vertrauen der Finanzmärkte nicht gewinnen. Unkonditionierte Solidarität hilft jedenfalls niemandem, weder denen, die so den Blick auf die eigene Leistungskraft und dafür notwendige Investition verlieren, noch denen, die Gefahr laufen, ihre wirtschaftliche Basis aufzuzehren. Bei den aktuell günstigen Rahmenbedingungen – insbesondere auf der Einnahmeseite – muss Berlin nicht zuletzt aus Glaubwürdigkeitsgesichtspunkten natürlich bei der Etatdisziplin eine Vorreiterrolle einnehmen.
Unternehmen können 2012 nur „auf Sicht fahren“
Derzeit ist ein Sieg im Kampf um das Vertrauen der Märkte noch lange nicht in Sicht und auch selbst bestens vorausschauende Unternehmer können anhand ihrer Aufträge und Gespräche mit den Kunden im Durchschnitt nur drei Monate nach vorne blicken. Richtig ist und bleibt für 2012 deshalb nur: Die Herausforderungen aus dem nun ablaufenden Jahr werden auch die Herausforderungen des nächsten Jahres sein, nämlich die Wettbewerbs-, Rentabilitäts- und Liquiditätszwänge der Unternehmen mit einer beschäftigungssichernden und nachhaltigen Personalpolitik in Einklang zu bringen. Ein innovatives und wettbewerbsfähiges Produkt, flexible Arbeitsorganisationen, günstige Lohnstückkosten, die Sicherung der Unternehmensfinanzierung sowie gut qualifizierte Mitarbeiter – in der Summe sind das die Kräfte, die nicht nur kurzfristig, sondern einen langen und robusten Aufschwung tragen können.
Das kommende Jahr wird deshalb wieder unsere volle Aufmerksamkeit und Engagement verlangen.