Jahresrück- und Ausblick 2021/2022
Zum Jahresende blickt der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Rhein-Wupper e.V. und der Unternehmerschaft Rhein-Wupper e.V., Rechtsanwalt Andreas Tressin, auf das Jahr 2021 zurück und gibt einen Ausblick auf das kommende Jahr:
Rückblick 2021
Das Corona-Virus hat uns alle nach wie vor im Würgegriff. Zum Jahresende scheint die Weltwirtschaft sogar unter einer Art „Long-Covid“ zu leiden. So gibt es wenig bis keine Planungssicherheit, vieles ist durcheinander geraten: Lieferketten und Lieferzeiten, Angebot und Nachfrage, es fehlen Material und Rohstoffe, die Preise steigen unaufhörlich und immer wieder müssen Unternehmen ganz kurzfristig neue Arbeitszeitmodelle vereinbaren, zum Teil aber auch Kurzarbeit anmelden. Einige Unternehmen in unserem Verbandsgebiet mussten bzw. müssen darüber hinaus auch noch die Folgen des Hochwassers im Juli bewältigen und sahen sich deshalb das ganze zweite Halbjahr über einer ganz besonderen zusätzlichen Stresssituation ausgesetzt. Die Unternehmen haben in der vorbezeichneten Gemengelage zum Teil viel Liquidität verloren, müssen aber zugleich bei plötzlich auftretendem größeren Nachfragevolumen sofort entsprechend die gesamte Logistik vorfinanzieren und parallel hierzu ihr Geschäftsmodell auf die Digitalisierung und Dekarbonisierung ausrichten, um den neuen Nachhaltigkeitskriterien der Kreditinstitute Rechnung zu tragen. Beinah wöchentlich ging es darum, die Arbeitsorganisationen am Maßstab der jeweiligen Hygienevorgaben aufrecht zu erhalten. Pragmatische Lösungen waren nicht nur in der Arbeitsorganisation im Unternehmen, sondern auch im Beziehungsmanagement mit den Mitarbeitern gefragt. Das ging natürlich alles zwangsläufig auch zu Lasten der Produktivität und damit der Arbeitskosten. Es kann nach alledem nicht überraschen, dass sowohl die Unternehmer als auch die Mitarbeiter zum Jahresende nach zwei Jahren Krisenmanagement ganz einfach nur erschöpft sind.
Zum Koalitionsvertrag
Nun steht die erste Ampel der Republik, der Kanzler wurde gewählt und der Koalitionsvertrag ratifiziert. Die neue Regierung will erkennbar Aufbruchstimmung entfalten und man will ihr ja auch gerne einen guten Willen für eine notwendige Modernisierung unterstellen. Aber gut gemeint, ist noch lange nicht gut gemacht. Mit dem Narrativ im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ kann sich sicherlich jeder identifizieren. Es fehlt zum Narrativ jedoch ein „schlüssiger und valider, vor allem aber ein transparent durchfinanzierter Businessplan“. Die aktuellen Pläne, 60 Milliarden Euro an Corona-Kreditermächtigungen, die nicht zur Pandemiebekämpfung eingesetzt wurden in den Klima- und Transformationsfonds zu schieben, sieht nicht nur der Präsident des Bundesrechnungshofs als verfassungsrechtlich problematisch an. Insgesamt bleiben im Koalitionsvertrag leider viel zu viele Maßnahmen lediglich beschrieben, aber nicht der konkrete Weg. Der eigentliche Lackmustest bei der Ausgestaltung des neuen Geschäftsmodels Deutschland steht also erst noch bevor, nämlich die Frage, welche Leitlinie bei den konkreten Umsetzungsmaßnahmen in wirtschafts- und ordnungspolitischer Hinsicht Priorität haben soll bzw. wer in der Ampel hierfür die Deutungshoheit für sich reklamieren wird. Sollte es hierzu nicht ganz schnell zu einem Grundkonsens in der Ampel kommen, ist bei den Umsetzungsmaßnahmen ein großes Veränderungswirrwarr bzw. ein gegenseitiges Misstrauen vorprogrammiert.
Zu begrüßen ist, dass sich die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag einmütig zur herausragenden Bedeutung unserer Wirtschaft und Industrie für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes bekannt hat. Umso wichtiger wird nun sein, dass die Koalitionäre das vom künftigen Wirtschaftsminister Habeck ausgerufene gegenseitige Versprechen der „lernenden Politik“ auch ganz schnell einlösen und zu der Erkenntnis kommen, dass eine wettbewerbsfähige Wirtschaft das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts ist und ohne eine Erneuerung der wirtschaftlichen Grundlagen und ohne leistungsstarke Unternehmen weder der Klimawandel bewältig noch unser Sozialstaat finanziert werden kann. Denn nie war eine starke Wirtschaft wichtiger als jetzt: Die Schulden der Corona-Krise müssen abgetragen, die Sozialsicherungssysteme nachhaltig finanziert und unser Land auf die Bewältigung neuer Krisen vorbereitet werden. Es müssen dafür im Strukturwandel neue Arbeitsplätze geschaffen, Investitionen gestemmt und durch Innovationen Nachhaltigkeit konsequenter umgesetzt werden. Dafür brauchen die Unternehmen Rahmenbedingungen, die nun endlich auch zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit führen, denn auf vielen Feldern hinkt die deutsche Politik hier der Weltspitze viel zu deutlich hinterher. Das Verwalten vergangener Erfolge reicht jedenfalls schon lange nicht mehr aus. Eine Agenda 2030, wie jüngst von der BDA und dem BDI gefordert, die auf nationaler wie internationaler Ebene die Wettbewerbsfähigkeit von Standort, Unternehmen und Arbeitsplätzen steigert, muss deshalb Maßstab allen politischen Handelns sein. Die Ampel muss bei der Umsetzung ganz einfach den Mut haben, neue Freiheiten nicht nur für die Unternehmer, sondern auch für die Beschäftigten zuzulassen, ebenso wie die Stärkung der Eigeninitiative, denn das würde nicht nur den Betrieben im globalen Wettbewerb helfen, sondern auch den Beschäftigten bei der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Zusätzliche Kostenbelastungen der Unternehmer verbieten sich in dem zuvor beschriebenen Beziehungsgeflecht ganz von selbst.
Ausblick 2022
Die Prognosen für das Jahr 2022 gleichen derzeit einem Blick in die Glaskugel. Sicher für 2022 ist, dass gar nichts sicher ist, erst recht nicht in der Pandemie. Die Unternehmen haben ihren Optimismus und ihre Zuversicht tendenziell noch nicht verloren. So erwarten laut einer Umfrage im Spätherbst des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fast die Hälfte der Unternehmen für das kommende Jahr eine höhere Produktion oder Geschäftstätigkeit, nur 15 % aller Firmen erwarten einen Rückgang. Ganz entscheidend für eine positive Entwicklung aber wird sein, ob das ständige Stop-and-Go des Wirtschaftslebens 2022 endlich ein Ende findet. Der Sachverständigenrat und das IW sehen in den aktuell bestehenden Produktionsbeeinträchtigungen in Folge gestörter Transport- und Lieferketten und der damit einhergehenden Kostenschocks, jedenfalls erhebliche Risiken für die Konjunktur. Unabhängig hiervon wird das Wirtschaftswachstum auch 2022 immer wieder mit den jeweiligen Corona-Realitäten konfrontiert sein. Aus den vorgenannten Gründen schraubten die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognosen für 2022 dann auch nach unten. So senkte das Münchener ifo-Institut die Wachstumsprognose für 2022 um 1,4 % auf 3,7 %. Ähnlich sieht das auch das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) wonach das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr um 3,5 % zulegen soll. Und leider hat sich aufgrund der verschärften Coronalage die Stimmung der Unternehmen zum Weihnachtsfest weiter verschlechtert, vor allem bei den konsumnahen Dienstleistern und dem Einzelhandel.
In der derzeitigen unsicheren dynamischen Lage muss deshalb oberstes Ziel bleiben, einen Lockdown zu verhindern. Mehr denn je werden deshalb auch 2022 pragmatische Lösungen gefragt sein, wie wir Wirtschaft erlauben können. Dabei sollte je nach Lage nicht die härteste Maßnahme entscheidend sein, sondern die sicherste. Klar muss sein, dass es zum Impfen keine Alternative gibt. Wir sind deshalb alle aufgerufen, die aktuelle Impfkampagne „#ZusammenGegenCorona“ zu unterstützen.